GESCHICHTENSAMMELSTELLE | 16 synoptische Kärntner Minidialoge
9. Mai bis 26. Oktober 2025
16 synoptische
Kärntner Minidialoge
Nicht Blut und Boden speisen unsere Identitätskonstruktionen, sondern die Geschichten, die wir einander erzählen. Auseinandersetzungen und selbst Kriege wurden und werden oft weniger um physische Ressourcen als vielmehr um kollektive Erzählungen geführt. Siegreich ist, wessen Erzählung letztendlich
triumphiert und die Anderen zum Schweigen bringt. Wenn ein solcher Prozess „erfolgreich“ ist, werden
am Schluss alle ärmer. Wir verlieren alle Nuancen und Zwischentöne und finden uns in einer holzschnittartigen Karikatur unserer selbst wieder. Das tiefe Bedürfnis nach Individualität und Einzigartigkeit bleibt unbefriedigt und alle Beteiligten werden zu Opfern einer allgemeinen Verödung.
Der britische Neurologe und Schriftsteller Oliver Sacks schreibt dazu: „Jeder Mensch ist eine einzigartige Erzählung, die fortwährend und unbewusst durch ihn und in ihm entsteht – durch seine Wahrnehmungen, seine Gefühle, seine Gedanken, seine Handlungen und nicht zuletzt durch das, was er sagt, durch seine in Worte gefasste Geschichte. Biologisch und physiologisch unterscheiden wir uns nicht
sehr voneinander – historisch jedoch, als gelebte Erzählung, ist jeder von uns einzigartig.“
Aus diesem Grund machte sich das Projektteam „Geschichtensammelstelle“ auf die Suche nach vielschichtigen und komplexen Erzählungen in Kärnten, die helfen können, jene Dichotomien in Frage zu
stellen, die in diesem Land noch immer von vielen Verletzungen zeugen. So ist eine Zusammenschau gelebter und intergenerationeller Erzählungen entstanden, die möglicherweise zu unerwarteten Neuformulierungen führen können.
In sechzehn halbstündigen Dialogen sprechen neun Frauen und sieben Männer über ihr Verhältnis zu Kärnten und über den Einfluss der Kärntner Zeitgeschichte auf ihr jeweiliges persönliches Leben. Die Hälfte dieser Gespräche sind intergenerationell oder innerfamiliär angelegt: Das heißt, es sprechen
beispielsweise Mutter und Sohn, Tochter und Vater, Mutter und Tochter, Sohn und Vater oder Ehefrau und Ehefrau miteinander. Jede Person spricht also jeweils einmal ins eigene Familiensystem hinein und einmal mit einer Person außerhalb desselben. So entsteht ein „Erzähl-Reigen“, wie er auf dem Infobildschirm vor dem Center-Stage-Raum verbildlicht ist.
Hinweis zur Benützung der Installation: Die sechzehn Kärntner Minidialoge sind hier synoptisch zu sehen. Sie können den Einzelgesprächen auf zweierlei Arten folgen: entweder Sie konzentrieren sich auf eine der Untertitelzeilen und lesen diese kontinuierlich oder Sie verwenden einen der Kopfhörer. In jedem Kopfhörer können Sie einem der Gespräche folgen und unter den Sprechenden im Video die Personen finden, die Sie gerade hören.
Wir haben eine einzigartige Aufnahmetechnik verwendet: Mit dem Interotron konnten sich die Teilnehmenden direkt in die Augen schauen – anders als bei einem Zoom-Meeting oder Videotelefonat. Dadurch entsteht auf den Projektionswänden der Eindruck, dass die Personen dem Publikum im Raum direkt in die Augen blicken – der sog. „Mona-Lisa-Effekt“.
akustisch sind 32 Audiokanäle im Raum verteilt. Die Tonspuren wurden 18 Ringspeakern zugewiesen und mithilfe eines 5’’-IKO-System ambisonisch im Raum verteilt und bewegt. Zusätzlich wurden die zwei Audiokanäle jedes Dialogs (zwei Gesprächsteilnehmer) über einen Digital-Analog-Wandler auf monoanaloge Ausgänge geleitet und an 16 Kopfhörer gesendet.
So kann man entweder alle Stimmen im Raum hören (Dialoge von einer Wand zur anderen) ODER jede Unterhaltung einzeln verfolgen.
Geschichtensammelstelle: 16 Synoptic Carinthian Mini Dialogues
by Friedemann Arbel Derschmidt and Alaa Alkurdi
Dialogues by:
Janina Böck-Koroschitz, Werner Koroschitz, Surur Abdul-Hussain, Verena Hauser, Monica Embacher, Wilfried Embacher, Gregor Krištof, Dorian Krištof, Ana Grilc, Richard Grilc, Rozi Tratar Sticker, Ajda Sticker, Thyl Hanscho, Elisabeth Hanscho, Luitgard Derschmidt, Friedemann Derschmidt
Team of the Story Collection Point:
Verena Hauser, Thyl Hanscho, Ana Grilc, Alaa Alkurdi, and Friedemann Arbel Derschmidt
Technical Assistance:
Shahed Abu Siam
Transcriptions, AI corrections, translations, and subtitles:
Samira Fux, Ajda Sticker, Jure Lazar, Friedemann Arbel Derschmidt
Technical Design and
Spatial Audio/Video Configuration:
Bassel Mahmoud
The work was created within the framework and based on the invited competition “for artistic works / at Domplatz in Klagenfurt/Celovec,” initiated by the Memorial Kärnten/Koroška association and supported by the Film and Television Research Lab at the Academy of Fine Arts Vienna.