„Welchen der Steine du hebst“ – Filmische Erinnerung an den Holocaust

Filmreihe & internationales Symposium vom 18. November bis 5. Dezember 2009

In Anlehnung an Paul Celans Gedicht „Welchen der Steine du hebst“ präsentieren das Kulturwissenschaftliche Institut und Kollegium Jüdische Studien der Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit dem Hackesche Höfe Kino vom 18. November bis 5. Dezember 2009 eine gleichnamige Filmreihe zur filmischen Erinnerung an den Holocaust. 27 Kurz-, Spiel- und Dokumentarfilme aus zahlreichen Ländern bieten ein ungewöhnliches Spektrum der filmischen Verarbeitung des Holocaust. Zum Abschluss der Filmreihe findet vom 3. bis 5. Dezember 2009 ein internationales Symposium statt.

„Welchen der Steine du hebst“ – Filmische Erinnerung an den Holocaust
Filmreihe und internationales Symposium
vom 18. November bis 5. Dezember 2009
Filmvorführungen im Hackesche Höfe Kino
Symposium
3. bis 5. Dezember 2009
Humboldt Graduate School, Luisenstraße 56
10117 Berlin

Paul Celans Gedicht „Welchen der Steine du hebst“ (1955), dem der Titel dieser Filmreihe entliehen ist, verweist auf die Schwierigkeit, sich mit dem Holocaust zu befassen. Steine zu heben bedeutet nicht nur, „Billionen Erinnerungen“ (Nelly Sachs) aufzudecken, sondern auch, wie Celan schreibt, diejenigen zu „entblößen“, „die des Schutzes der Steine bedürfen“. So sind auch in der künstlerischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Holocaust schnell Grenzen erreicht – Grenzen der Empathie, des Verstehens, der Darstellbarkeit und auch des Geschmacks. Dennoch versuchen Filmemacherinnen und Filmemacher aus aller Welt seit über 60 Jahren, sich diesem Thema auf sehr unterschiedliche Weise zu nähern. Sie leisten damit nicht nur einen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung und kollektiven Erinnerung, sondern prägen auch das Geschichtsverständnis der breiten Öffentlichkeit – zumal medial vermittelte Formen an Bedeutung gewinnen, da auf Erzählungen Überlebender nur noch selten zurückgegriffen werden kann.
Die ausgewählten Filme setzen sich im Gegensatz zu populären Filmproduktionen zum Thema Holocaust überwiegend kritisch mit ikonografischen Mustern, wie beispielsweise  Stacheldraht, Eisenbahnwaggons und Sträflingskleidung auseinander oder werfen Fragen nach Grenzen und Möglichkeiten von Erinnerung selbst auf. Zentrales Anliegen ist es dabei zu zeigen, wie sich die Art der filmischen Erinnerung an die NS¬-Massenmorde im Laufe der Jahrzehnte verändert hat, sich Täter¬ und Opferperspektiven verschoben haben und jeder Film auch ein Spiegel seiner Zeit ist.

Unter den ausgewählten Werken sind wegweisende und preisgekrönte Produktionen wie „Nuit et Brouillard“ (1955) von Alain Resnais, experimentelle Annäherungen wie „Aufschub“ (2007) von Harun Farocki oder fast vergessene Filme wie Thomas Braschs „Der Passagier – Welcome to Germany“ (1988/89). Alle Filme werden von Patinnen und Paten präsentiert. Zahlreiche Filmschaffende werden bei den Vorführungen anwesend sein.
Einzelne Werke werden im Kant Kino wiederholt.

Die Filmreihe schließt mit einem internationalen Symposium vom 3. bis 5. Dezember 2009 an der Humboldt¬Universität. Dieses widmet sich u.a. auch den „Leerstellen“ der filmischen Erinnerung, wie etwa der seltenen Thematisierung der Verfolgung von Sinti und Roma.

Kartenpreise der Kinovorführungen: 7,50 € | Gildepass: 6 €
Die Teilnahme am Symposium ist kostenfrei.
Um Anmeldung per Email wird bis zum 18. November 2009 gebeten.
Das ausführliche Programm:

WEITERE INFORMATIONEN

Heide Schürmeier
Humboldt-Universität zu Berlin
Kulturwissenschaftliches Institut
Tel: (0171) 511 51 09
Email: film-gedaechtnis@culture.hu-berlin.de

 

Donnerstag | 3. Dezember 2009

Eröffnung

10:00 Uhr | Prof. Dr. Claudia Bruns
Grußworte:
Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Jens Nagel (Vizepräsident für Studium und Internationales der Humboldt-Universität zu Berlin)
Prof. Dr. Thomas Macho (Direktor des Instituts für Kulturwissenschaft)
Günter Saathoff (Vorstand der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“)
Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung)

THEORETISCHE EINFÜHRUNG

11:15 Uhr | Prof. Dr. Michael Wildt (Berlin)
Holocaust und Geschichtsschreibung
12:15 Uhr | Prof. Dr. Frank Bösch (Gießen)
Wendepunkt der Erinnerungskultur?
Zum Wandel von Film- und Fernsehdarstellungen nach der Serie „Holocaust”

13:15 – 14:45 Uhr | Mittagspause

Erinnerung und Trauma

14:45 Uhr | Prof. Dr. Atina Grossmann (New York)
„Unzere Kinder”: Memory and Trauma in an Early Holocaust Film
Der Vortrag wird in englischer Sprache gehalten / The lecture will be given in English
15:45 Uhr | Prof. Dr. Sven Kramer (Lüneburg) | In der Dunkelkammer
Überlieferung und historische Wahrheit in Atom Egoyans Spielfilm „Ararat”
16: 45 – 17:00 Uhr | Kaffeepause

17:00 Uhr | Podiumsdiskussion

Filmische Narrationen der 2. und 3. Generation
Bernd Fischer (Berlin, Film im Programm: „Grüße aus Dachau“)
PD Dr. Christian Schneider (Kassel)
Elkan Spiller (Amsterdam, Film im Programm: „Mama L’Chaim!“)
Dr. Iris Wachsmuth (Berlin)
Impulsgeberin: Konstanze Hanitzsch (Berlin)

20:00 Uhr | Filmvorführung im Hackesche Höfe Kino | UNZERE KINDER (UNSERE KINDER)
Regie: Natan Gross, PL 1948, 80 min, Spielfilm
Einführung: Prof. Dr. Atina Grossmann (New York)

Freitag | 4. Dezember 2009

Authentizität und Fikt ion im Doku ment arfilm
10:00 Uhr | PD Dr. Ulrike Weckel (Ann Arbor und Berlin)
„Wir ahnten, dass uns Abscheuliches vorgeführt wurde.”
Alliierte Dokumentarfilme über die Lagerbefreiung und die Reaktionen deutscher Kriegsgefangene
11:00 Uhr | M.A. Alexandra Tacke (Berlin)
Über-Setzungen der „Banalität des Bösen”Eyal Sivans „Ein Spezialist“ im Vergleich mit Romuald Karmakars
„Das Himmler-Projekt”

LEERSTELLEN DER ERINNERUNG

12:00 Uhr | Dr. Matthias N. Lorenz (Bielefeld und Dortmund)
„Tatort Zigeuner“

13:00 – 14:30 Uhr | Mittagspause

14:30 Uhr | Dr. Klaus Müller (Berlin)
A voice not heard: gay survivors in post-war reception and film
Der Vortrag wird in englischer Sprache gehalten | The lecture will be given in English
15:30 Uhr | Dr. Tobias Nagl (London/Ontario)
Schwarzsein, Zeugenschaft, Archiv – Schwarze Schauspieler im Kino des „Dritten Reichs”

16:30 – 16:40 Uhr | Kaffeepause

16:40 Uhr | Podiumsdiskussion
Leerstellen – Die Verfolgung der Roma und Sinti in der populären Kultur
Die Diskussion wird in englischer Sprache geführt | The panel discussion will be held in English
Prof. Dr. Dina Iordanova (St. Andrews) | Timea Junghaus (Budapest)
Katrin Seybold (München, Film im Programm: „Das falsche Wort“)
Impulsgeber: Friedemann Derschmidt (Wien)

21:30 Uhr | Filmvorführung im Hackesche Höfe Kino
DEUTSCHLAND ERWACHE | US-Signal Corps, D/USA 1945, 23 min, Dokumentarfilm
AUFSCHUB | Regie: Harun Farocki, KOR 2007, 40 min, Dokumentarfilm

SAMSTAG | 5. Dezember 2009

GRENZEN VON GESCHLECHT UND GESCHMACK

09:00 Uhr | Dr. Marcus Stiglegger (Mainz)
Sadiconazista: Zur Sexualisierung des Holocaust im Kino von 1960 bis heute
10:00 Uhr | Prof. Dr. Heike Klippel (Braunschweig)
Kollaboration und Opfer – Weiblichkeit im Holocaust-Film am Beispiel von „Kapó” (1959)

11:00 – 11:10 Uhr | Kaffepause

GRENZGÄNGE ZWISCHEN HUMOR , SATIRE UND LÜGE

11:10 Uhr | Ronny Loewy (Frankfurt a. M.)
„That Was About Success, Wasn’t It?” Stanley Kubricks „The Aryan Papers”
12:10 Uhr | Daniel Kothenschulte (Frankfurt a. M. und Köln)
The Clown Never Cried
Jerry Lewis’ unvollendeter Film „The Day the Clown Cried” (1972) und das Thema NS-Ideologie und Holocaust
im pädagogischen Kinderfilm seit 1943)

13:10 – 14:30 Uhr | Mittagspause

14:30 Uhr | Dr. Hanno Loewy (Hohenems)
Schwarze Ironie der Frühe
Holocaust-Satiren und Anti-Tragödien der 60er Jahre im Kontext

TRANSFER VON IKONOGRAFIEN UND NARRATIONEN

15:30 Uhr | Prof. Dr. Harald Welzer (Essen)
Importierte Erinnerungen – der Zusammenhang von Film und Autobiographie

16:30 – 16:40 Uhr | Kaffeepause

16:40 Uhr | Podiumsdiskussion
Globalisierte Erinnerung?
Dr. Christian Gudehus (Essen)
Prof. Dr. Daniel Levy (New York)
Prof. Dr. Silke Wenk (Oldenburg)
Impulsgeberinnen: Prof. Dr. Claudia Bruns und Dipl. phil. Asal Dardan (Berlin)

20:00 Uhr | Filmvorführung im Hackesche Höfe Kino
MRS MEITLEMEIHR | Regie: Graham Rose, GB 2002, 30 min, 35mm, Kurzspielfilm
SPALOVAČ MRTVOL (DER LEICHENVERBRENNER) | Regie: Juraj Herz, CZK 1968, 95 min, Spielfilm
Einführung: Dr. Hanno Loewy (Hohenems)

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