MALMOE 21.11.2007

Nicht auf Neutralem Boden

Tage des israelischen Dokumentarfilms in Wien – ein Interview

Ende November finden in Wien die israelischen (Dokumentar-)Filmtage statt. Unter Bezugnahme auf den 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels wartet ein Programm, das sich zum Ziel gesetzt hat, ein komplexeres Bild vorstellbar zu machen, als hierzulande aus der Medienberichterstattung gewöhnt. Was mit dieser Komplexität gemeint ist, wollte MALMOE im Interview wissen.

Was hat euch bewogen, die israelischen Filmtage in Wien zu organisieren?

Bewogen hat uns die unerträgliche Differenz zwischen der (den) in Israel tatsächlich erlebten Situation(en) und der in Österreich unerträglich abgeflachten und dabei politisch extrem aufgeladenen Diskussion. Doku-Filme zu zeigen, ist uns eine gute Möglichkeit, ein komplexes Bild zu zeichnen und vielleicht einen Beitrag zu ein bisschen weniger Dumpfbackigkeit zu leisten.

Welchen Stellenwert hat die Zusammenarbeit mit jüdischen Organisationen in Wien für euch?

Wir kooperieren mit dem in Wien etablierten jüdischen Filmfestival. Sie unterstützen uns und dies hat für uns einen sehr hohen Stellenwert – vor allem, da wir uns politisch sehr ähnlich sind und das ist heute in dieser Frage etwas ziemlich besonderes und inspirierendes. An dieser Stelle danken wir Doron Rabinovici sehr für die „Zusammenführung“, er unterstützt uns vor allem auch mit kritischen Kommentaren, was sehr hilfreich ist. Aber er ist wohl keine Organisation, oder? Im Klartext meint das: Uns geht es weniger um das Label „jüdisch“, sondern um interessante Hinweise. Unsere Netzwerkarbeit in jede Richtung ist ohnehin eine, die mehr auf persönlichen Kontakten aufbaut und inoffiziell passiert. Allerdings war es uns von Anfang an wichtig, einen Kompass aus jüdischer Sicht zu haben, um der eigenen Antisemitismusfalle zu entgehen.

Wie bezieht ihr euch auf den lokalen Kontext hier in Wien und auf die starken antisemitischen Kontinuitäten, die es hier nach wie vor gibt? Ihr habt bei der Filmauswahl und der Vorbereitung des Filmtage mit Partnerinnen, v.a. befreundeten linken KünstlerInnen aus Israel zusammengearbeitet. Wie würdet ihr das Verhältnis zwischen deren oppositionellem Tun in Israel einerseits und den Schwierigkeiten, die Linke hierzulande mit ihrem eigenen Antisemitismus nach wie vor haben, beschreiben?

Zum lokalen Kontext in Wien: Das war und ist uns etwas ganz wichtiges, immer wieder zu sagen und zu zeigen, dass wir das hier nicht auf neutralem Boden machen, sondern, wie du sagst, am Boden der TäterInnen des Nationalsozialismus. Wir sehen es als unsere Aufgabe, diese Kontextualisierung herzustellen, also einen Rahmen zu schaffen, in dem es auch möglich ist, kritische Stimmen aus Israel in einem historisch so aufgeladenen Ort wie Österreich zu zeigen. Die Programmvorschläge selber kamen vor allem von unseren israelischen PartnerInnen. Wir sehen diese Aufgabenteilung als sinnvoll an, weil wir so nicht nur „The Best of Dokumentarfilm“ von Israel nach Wien bringen, sondern das, was unter unseren israelischen FreundInnen diskutiert wird und an politische Diskussionen vor Ort andockt. Um Namen zu nennen, die Co-KuratorInnen waren der Künstler Tal Adler und das KünstlerInnenkollektiv „barbur“, namentlich Mascha Zusman. Den zweiten Teil der Frage verstehe ich nicht wirklich: Meinst du, dass das oppositionelle Tun unserer FreundInnen in Israel sich mit hiesigen Antisemitismen der Linken decken könnte? Prinzipiell ist ja nicht jede Aktivität der genannten KünstlerInnen oppositionell in dem Sinne, dass es um „den“ einen Konflikt geht. Ihr werdet es in den Filmen merken: Es gibt ganz unterschiedliche Themen, die Linke in Israel beschäftigen, so wie vermutlich überall anders auch. Die israelischen Linken mit denen wir arbeiten, haben ehrlich gesagt am Antisemitismus der österreichischen Linken sehr wenig Interesse, weil es schlicht so viele anderen Themen und Probleme hier in Israel gibt.

Welchen politischen Anspruch verfolgt ihr diesbezüglich mit den Filmtagen?

Die Frage, ob wir mit den Filmtagen auch eine Differenzerung der Diskussion zu „Antisemitismus in der Linken“ in Österreich anstreben, können wir vorsichtig mit „ja“ beantworten. „Vorsichtig“ deshalb, weil wir erstens keine „innerlinke“ Veranstaltung machen und uns der linke Diskurs nicht Hauptfokus ist. Und auch, weil wir natürlich nicht von „drei Tage Dokumentarfilme ansehen“ eine Änderung eines Szene- Habitus erwarten. Aber im Grunde denken wir doch, dass wir hier Basis für eine echte Auseinandersetzung schaffen können. Wir dachten das immer in einer Schleife: Eine Auswirkung des Antisemitismus in der Linken ist, dass jene Linke die versucht haben, hier etwas sensibler zu sein, eine regelrechte Berührungsangst mit Israelischen Linken entwickelt haben. Klassisch linke Themen wie Staatsrassismus etc. werden, sobald es um israelische Zusammenhänge geht, einfach nicht mehr angesprochen, vermutlich aus Angst, hier in eine Antisemitismus-Falle zu tappen. Auf den Reflex der einen, ungefragt „Palästina-Solidarität“ zu machen, folgt der Reflex der Anderen, so etwas wie eine „Israel-Solidarität“ auszurufen und beides hat recht wenig mit den dort lebenden Menschen und ihren Versuchen, mit den historischen Vorgaben und Brüchen umzugehen, zu tun. Ein Ergebnis des tiefsitzenden Antisemitismus hier ist Auseinandersetzungsverweigerung, keine gute Grundlage für „Solidarität“, vorausgesetzt ich meine diese mit wirklichen Menschen und nicht mit einer abstrakten Idee eines jüdischen Staates, der besser sein sollte als alle anderen. Also, als Werbekampagne für das Denken in Widersprüchen könnten die Filmtage dienen.

Israel in den Augen…
…lokaler FilmemacherInnen
Tage des israelischen Dokumentarfilms
23-25. Nov 2007 im TOP-Kino

Kuratiert vom rites-institute (Friedemann Derschmidt und Karin Schneider)

Co-KuratorInnen: Tal Adler und barbur Studio / Jerusalem in Zusammenarbeit mit der jüdischen Filmwoche und dem TOP Kino gefördert von Wien Kultur MA 7 und der Kulturabteilung der israelischen Botschaft
Das genaue Programm ist hier zu erfahren:

Eröffnung: Do., 22. November mit „Shalom Abu Bassem“ ; 73 min, IL 2004, R: Nisim Mossek. Der Filmemacher wird anwesend sein.

online seit 21.11.2007 15:49:25 (Printausgabe 39)
autorIn und feedback : Interview: Katharina Morawek

Links zum Artikel: http://malmoe.org/artikel/widersprechen/1520/23

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